TREND Gastkommentar zur Finanzbildung in Österreich

TREND Gastkommentar

Den Umgang mit Geld lehren

Eltern und auch Schüler erwarten von der Politik mehr Anstrengung
in Sachen Finanzbildung. Die PISA-Studie gibt ihnen recht.

 

FINANCIAL LITERACY. Kompetenz im Umgang mit Geld und wirtschaftliches Verständnis sind essenziell für jeden Menschen, um ein selbstbestimmtes und gelungenes Leben zu führen. Doch unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen können Österreichs Schulen dem Auftrag, „Financial Literacy“ zu vermitteln, oft nicht gerecht werden.

67 Prozent der Schüler:innen der AHS-Oberstufe und 40 Prozent der BHS-Schüler:innen haben das Gefühl, sich nicht oder nur wenig mit Geld und Finanzen auszukennen. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen fühlen sich in Bezug auf Finanzbildung nicht angemessen auf die Zukunft vorbereitet, wie der YEP-Jugendbericht vom Jänner 2024 aufzeigt. Auch eine Umfrage unter Eltern im Auftrag von NEOS im Frühjahr 2024 ergab ein klares Bild: Zwei Drittel der Befragten machen sich Sorgen, ob ihre Kinder in der Schule gut genug auf das Leben vorbereitet werden. Finanzbildung rangiert dabei auf Platz zwei der wichtigsten Themen für die Eltern. Bei der im Juni veröffentlichten „PISA 2022 Financial Literacy“- Studie liegt Österreich bei den Durchschnittsergebnissen zwar im oberen Mittelfeld. Der soziale Hintergrund der Schüler:innen hat hierzulande jedoch auch in dieser Frage einen besonders starken Einfluss auf die Ergebnisse.

Chancengerechtigkeit ist eine grundlegende Schwachstelle in unserem Bildungssystem. Und so verlassen gerade jene Jugendlichen, die in finanziellen Angelegenheiten mit keiner Unterstützung durch die Eltern rechnen können, die Schule mit mangelhaftem Wissen zu Geld und Finanzen. Bildungsminister Martin Polaschek kann in seiner Amtszeit keine Fortschritte im Bereich Chancengerechtigkeit verbuchen. Die nächste Regierung muss daher entschlossene Reformmaßnahmen setzen, um endlich Fairness für alle Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten. Für eine breitere Finanz- und Wirtschaftsbildung für alle Schüler:innen ist viel zu tun.

Fangen wir mit dem Naheliegendsten an: den Lehrplänen. International ist, wie die PISA-Studie aufzeigt, Mathematik jenes Schulfach, in dem Kinder und Jugendliche am öftesten finanzielle Fragestellungen behandeln. Hier ist in Österreich viel Luft nach oben. Im Fach Geografie und Wirtschaftskunde werfen viele Lehrer zwar aus räumlicher und soziologischer Perspektive einen Blick auf die Wirtschaft, nicht aber aus ökonomischer. Was aber erforderlich ist: In Baden-Württemberg wurde Wirtschaft gemeinsam mit Berufsorientierung zum eigenen Schulfach aufgewertet – auch das wäre eine Reformidee für Österreich.

Weitere lohnende „Investitionen“ gäbe es viele. Spannend können etwa verstärkte Kooperationen zwischen Schulen und der Arbeitswelt sein. Unbedingt notwendig ist auf jeden Fall eine fundiertere wirtschaftliche Fortbildung für Lehrkräfte – egal, ob für ein eigenes Schulfach oder für bestehende Fächer. Finanzbildungscoaches an den Wirtschaftspädagogik-Instituten der Unis könnten dabei eine wichtige Unterstützung sein. Die Ansprüche, die PISA an Finanzbildung stellt, sind keineswegs „Rocket Science“. Im Vordergrund stehen alltägliche Begriffe wie Gehalt, Budget, Kredit, Unternehmertum, Steuern, Zinsen und Pensionen.

Jugendliche sollen lernen, finanzielle Entscheidungen als solche zu erkennen und ihre Auswirkungen abzuschätzen. Wenn wir es zusätzlich noch schaffen, Börsen und Aktienmärkte zu erklären, ist das schon der Bonus auf dem „Wissenskonto“. Die Gesellschaft hat die Verantwortung, dass alle Schüler:innen unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund Zugang zu Finanzbildung haben, um sich solide und altersgerechte Fähigkeiten aneignen zu können. Jede Stufe des Bildungssystems kann und müsste ihren Beitrag leisten. Ziel ist, junge Menschen zu stärken und sie vor den Risiken von Schulden und Fehlinvestitionen zu bewahren. Parallel dazu gilt es, mit Entrepreneurship Education Lust auf unternehmerisches Denken und Handeln zu wecken. In jedem Projekt, in dem Schülerinnen und Schüler Verantwortung übernehmen, Lösungen entwickeln und Ideen vorantreiben, steckt ein Stück Wirtschaftsbildung – mögliches Scheitern im geschützten Raum inklusive. Jugendliche, Eltern und die PISA-Studie geben Österreichs Bildungspolitiker:innen den gleichen Auftrag: Sie müssen mehr tun, um die nächste Generation auf ein finanziell eigenständiges Leben vorzubereiten. Nun liegt es in der Hand der nächsten Bundesregierung, entschlossene Reformschritte zu setzen.

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